Dagmar:

"Im Juni/Juli 2019 fragte mich meine Nachbarin, die schon seit einigen Jahren einen Flüchtling betreut, ob dies nicht auch etwas für mich sei. Da ich mich schon oft mit ihr ausgetauscht hatte und ich im Übrigen der Überzeugung bin, dass es ungemein wichtig ist, Fremden die in unser Land kommen, bei der Integration zur Seite zu stehen, sagte ich zu. Außerdem kommt hinzu, dass ich immer noch sehr neugierig bin.

So kam es nach einem Vorgespräch im KI (Kommunalen Integrationsdienst) zu einer ersten Begegnung mit „meiner Familie“. Es handelt sich um eine vierköpfige Familie aus Pakistan, die aus religiösen Gründen ihr Land verlassen hat, da dort niemand eine Garantie für ihr Leben geben konnte. 

Meine Aufgabe besteht hauptsächlich darin, sie durch die Tücken des Alltags zu begleiten. Ob es Behördengänge, Begleitung zu Elternabenden, Arzttermine, Gespräche mit Vermietern, etc. sind – bei all diesen Dingen ist eine helfende Hand sehr gewünscht und geschätzt. Aber auch Ausflüge, wie Zoo-, Zirkus und Kinobesuche mit den Kindern, stehen auf dem Programm. 

Wir lernen voneinander. In vielen, langen Gesprächen versuchen wir, die jeweiligen Kulturen zu verstehen. Sicherlich gelingt dies nicht immer ohne Konflikte, die wir aber in großer Ruhe besprechen. 

Ich investiere sicherlich viel Zeit in diese Patenschaft, aber ich lerne viel und bekomme eine ganze Menge zurück. 

Wenn wir wollen, dass wir keine Probleme mit den Fremden in unserem Land haben, dann müssen WIR ihnen helfen, bei uns anzukommen.

 

Claudia:

Was genau bedeutet es für mich, eine Patenschaft zu übernehmen?

Mein Telefon klingelt. Am anderen Ende fragt eine aufgeregte Kinderstimme, ob ich sie heute vom Schwimmkurs abhole. Ich antworte, dass ich pünktlich da sein werde.

Meine Schützlinge habe ich vor fünf Jahren im Rahmen eines Projektes zum ersten Mal getroffen, für das ich mich gemeldet hatte. Ursprünglich sollte ich vor allem etwas mit der älteren Schwester unternehmen, die gerade in die Grundschule gekommen war und noch nicht ausreichend Deutsch sprach. Damit sie den Alltag von „normalen Deutschen“ kennen lernt und ihre Sprachkenntnisse verbessert, haben wir ganz alltägliche Dinge zusammen unternommen. Wir waren einkaufen, haben zusammen Geburtstagskuchen für die Klasse gebacken, IKEA-Möbel aufgebaut, einen Platz im Schwimmkurs gefunden und Stadtfeste besucht.

Das Projekt war auf zunächst ein Jahr begrenzt. Damals brauchten viele Neuankömmlinge in unserer Stadt vor allem jemanden, der sie in den Anfängen begleitet, dem sie vertrauen und den sie alles fragen konnten.

Wir hatten uns nicht zu einem festen Tag in der Woche verabredet, sondern nach telefonischer Absprache. Durch das Abholen vom Schwimmkurs hat sich dann eine gewisse Regelmäßigkeit eingestellt. Wenn ich die Kinder zu Hause wieder abgebe, nutzt die Mutter die Gelegenheit, mir ihre Fragen zu stellen. Wir haben über Mülltrennung gesprochen, Kochrezepte ausgetauscht und über Unterschiede und Gemeinsamkeiten in unseren Kulturen sinniert. Ich habe Zettel aus der Schule gelesen und in einfachen Worten wiedergegeben, fremdes Essen gekostet, beim Umzug geholfen und viel Tee getrunken.

Das Projekt ist lange ausgelaufen, aber wir treffen uns weiterhin gerne. Die Themen haben sich geändert. Heute hole ich schon die zweite Schwester vom Schwimmkurs ab und bin stolz auf die abgelegten Schwimmabzeichen. Die Mutter sucht jetzt einen Praktikumsplatz und hofft, bald einer regelmäßigen Arbeit nachgehen zu können. Durch die erweiterten Sprachkenntnisse der ganzen Familie können wir uns nun auch einfach mal unterhalten und unsere Meinungen austauschen. Jetzt lerne ich viel Neues kennen.

 

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